Romane

Daniela Dröscher – Lügen über meine Mutter

Daniela Dröscher erzählt in ihrem Buch „Lügen über meine Mutter“ über ihre Kindheit in den 1980er Jahren im Hunsrück. Wie die Autorin bin auch in den 1970er Jahren geboren und habe mich sehr oft in diesem Buch wiedergefunden.

Inhalt / Klappentext

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie. Entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag. 

„“Lügen über meine Mutter““ ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht? (Inhaltsangabe des Verlags)

Meine Meinung

 „Lügen über meine Mutter“ ist ein autobiographisch geprägter Roman in dem die Autorin ihre Kindheit in den 198oer Jahren schildert. Das Buch ist aus der Perspektive des Kindes geschrieben. Zwischen den einzelnen Kapiteln finden sich aber immer wieder Einschübe aus der Gegenwart in denen Sie als Erwachsene auf die Ereignisse zurückblickt. Neben der Einteilung in Kapitel ist das Buch auch in vier Abschnitte eingeteilt und jeder Abschnitt umfasst ein Jahr.

„Lügen über meine Mutter“ war 2022 auf der Shortlist des deutschen Buchpreises.

Das Buch beginnt mit einem Satz, der erst einmal verstört, aber perfekt auf das Thema des Buches einstimmt: „Meine Mutter passt in keinen Sarg. Sie ist zu dick, sagt sie. ….“

Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Familie und eine ganz normale Kindheit die die Protagonistin beschreibt. Ein beschauliches Leben auf dem Land, der Vater hat einen guten Job, alles könnte perfekt sein, aber das ist es nicht.

Schnell merkt man als Leser, dass hier etwas nicht stimmt. Der Vater ist unzufrieden, sieht sich beruflich benachteiligt und wartet auf die langersehnte Beförderung. Diese lässt aber auf sich warten und schnell findet er dafür auch die Schuldige: seine Ehefrau. Wäre diese nicht so dick und attraktiver, hätte er bessere Chancen aufzusteigen. Und so projiziert er seinen „Misserfolg“ auf seine Frau und quält diese fortan mit Diäten, Essentzug etc.

Elas Mutter ist eine soziale und intelligente Frau, die nebenher als Sekretärin arbeitet, damit sich die Familie „etwas leisten kann“. Dabei träumt sie davon, Sprachen zu studieren. Sie ist klüger als ihr Mann, und genau das ist der Punkt, weshalb dieser seine Frau drangsaliert, nicht körperlich, sondern psychisch.

Dies mag aus der heutigen Perspektive eventuell etwas befremdlich klingen, aber ich habe in diesem Roman absolut die Grundstimmung meiner Kindheit wiedergefunden. In den 1980er Jahren kamen die Weightwatchers auf, die ersten Mode-Diäten schwappten aus Amerika rüber und der Körper der Frauen (!) wurde auf einmal zum Thema. Emanzipation gab es zu dieser Zeit noch nicht, es waren die letzten Jahre, in denen sogar der Ehemann noch zustimmen musste, wenn eine Frau arbeiten gehen wollte – heute undenkbar!

Die kleine Ela ist in der Erzählung zwischen Vater und Mutter hin- und hergerissen. Einerseits liebt sie ihre Mutter, andererseits ist sie ihr auch peinlich, weil sie immer weiter zunimmt. Der Vater hingegen, braun gebrannt, Tennis spielt und mit anderen Frauen flirtend verkörpert äusserlich Erfolg und Macht. Manchmal bewundert Sie ihn, manchmal verachtet sie auch ihn. Aber ständig ist sie hin- und hergerissen zwischen Mutter und Vater, die beide versuchen das kleine Mädchen auf „ihre Seite“ zu ziehen.

Teilweise war es wirklich schmerzhaft, den Roman zu lesen, gerade wenn man in dieser Zeit großgeworden ist. An vielen Stellen fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt und an einigen Stellen fühlte ich mich auch dabei „ertappt“, dass sich in dieser Zeit falsche Glaubenssätze in mir manifestiert haben, die mich bis heute begleiten und beschäftigen.

Dabei lässt sich der Roman sehr gut und flüssig lesen, so dass ich ihn in kürzester Zeit durchgelesen hatte.

Fazit

Ein berührendes und bewegender Roman. Eine Familientragödie aus den 1980er Jahren die erklärt, was heute noch in den Köpfen vieler Frauen verankert ist.

Große Leseempfehlung, nicht nur für Frauen meines Alters, sondern auch für die jüngeren Generationen!

Mehr zum Buch

„Lügen über meine Mutter“ ist im August 2022 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Es hat als gebundene Ausgabe 448 Seiten und kostet EUR 24,00 – link zum Buch bei Thalia

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